Die Berliner Mauer

 

Erstes Kapitel: Der Bau der Mauer

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Kinder schrien und weinten, als am 13. August 1961 die Nachrichten im Radio verkündeten, dass um Westberlin herum eine Mauer gebaut wurde und der Zugang versperrt sei. Das ganze Gebiet der damaligen DDR sei blockiert und vom Militär und der Volksarmee abgesperrt worden.

Vom Bundesgebiet her könnte Westberlin nicht mehr erreicht werden. Überall seien Blockaden errichtet worden und Panzer aufgefahren.

 

Die Kinder die geschrien und geweint hatten, waren Berliner Ferienkinder, mit denen ich zu dieser Zeit in einem Ferienlager der Steirischen Kinderfreunde in Döbriach am Millstätter See in Österreich „JUNGE HEIMAT EUROPA“ war. Sie hatten Angst, dass sie ihre Mama nicht wiedersehen würden.

Da ich schon 16 Jahre alt war, versuchte ich die Kleineren zu beruhigen und sagte, dass wenn wir mit dem Reisebus nicht mehr durchkommen würden, könnten wir immer noch von der Bundesrepublik nach Westberlin fliegen. Diese Möglichkeit gab es auf jeden Fall.

Wir kannten es ja, dass man bei dem Besuch von Ostberlin immer schon von Grenzschützern kontrolliert wurde und das man zur Bundesrepublik nur durch das Gebiet der DDR, die Sowjetzone, fahren musste.

Mit dem Auto etwa 180 km von Dreilinden nach Helmstedt und mit dem Zug über Babelsberg nach Helmstedt oder nach Hof in Richtung Bayern.

 

Der heutige Berliner Ring, die A 100, war etwa zum damaligen Zeitpunkt das Stadtgebiet Berlins, dahinter befand sich die Ostzone, die auch nicht ohne zusätzliche Kontrollen von jedem Ostberliner betreten werden konnte.

 

Das waren die Auswirkungen des 2. Weltkrieges, als Berlin durch das gleichnamige Abkommen in vier Sektoren geteilt wurde.

Den amerikanischen-, englischen-, französischen- und den russischen Sektor.

In allen Sektoren konnten sich sowohl die West-, als auch die Ostberliner vor dem Bau der Mauer frei bewegen. Der russisch besetzte Sektor konnte jedoch nur kontrolliert betreten oder verlassen werden.

So fuhren z. B. in der S- oder U-Bahn unerkannt Frauen der Volksarmee mit, die dann an der letzten Station zum Westen den „Grenzern“ mitteilten: „Der kommt raus, der kommt raus, der ….. usw.“

Was sollte man machen? Man war denen völlig hilflos ausgeliefert. Sonst hätte der Zug den Bahnhof nicht verlassen dürfen.

 

Was war geschehen?

Für jeden Benutzer der Transitstrecke zur Bundesrepublik kassierte die DDR Gebühren. Der Bund zahlte an Berlin Zuschüsse, wodurch man als Arbeitnehmer in Westberlin eine „Berlinzulage“ bekam, steuerlich begünstigt wurde und richtig „dicke Kohle“ verdiente.

Güter, die in Westberlin hergestellt wurden, konnten dann als Exportware zur Bundesrepublik und umgekehrt nach Westberlin importiert werden. Alles ein superfeines Geschäft, wobei auch der Osten unter seiner russischen Besatzung kräftig mitmischte.

Aber das war ja noch lange nicht alles.

Auch unsere Politiker und kommunistisch-, linientreue Genossen, zu denen Künstler und auch Sportler gehörten, mischten lustig mit.

Hinzu kamen dann noch die zahlreichen informellen Mitarbeiter aus Ost und West.

Alle, diejenigen, welche ungehindert hin- und herreisen konnten.

Auch Leute des Stasi, des KGB und auch die von unseren- und anderen westlichen Geheimdiensten.

 

Nur am Rande sei bemerkt, dass auch die späteren und sogenannten Terroristen nur mit Unterstützung der DDR so frei hin- und her- und über die Grenzen Berlins hinaus reisen konnten.

Nur der Westen wollte oder hat dies nie begriffen.

 

Berlin war und ist auch heute noch ein riesengroßes Spionagenest.

 

Auch die Ostberliner schnitten sich einen großen Teil von dem Kuchen ab, indem sie in Westberlin als billige Arbeitskräfte beschäftigt wurden, den Verdienst offiziell 1 : 4 umtauschen konnten, teilweise sogar noch günstiger, und in der DDR, also im Ostberlin ihren eigenen Landsleuten gegenüber einen „dicken Lemmi“ machten.

Denn die „armen Schweine“ im Hinterland, Dresden, Leipzig oder sonst woher, konnten nicht nach Westberlin oder nach Bayern fahren um dort zu arbeiten.

 

Jetzt kann man auch verstehen, warum die Ossis nach der Wende so viel Geld gespart hatten, was sie ja bis zu 30.000,-- Ostmark eins zu eins umtauschen konnten.

Der Verdienst in der DDR lag damals im Durchschnitt so etwa um 500,-- bis 800,-- Ostmark. Für ein Häuschen mit Garten bezahlte man etwa 25,-- Ostmark. Zum „Fressen“ hatten sie genug, also wozu brauchten sie Bananen. Wurst und Fleisch hatten sie durch die eigene Tierzucht und „huddeln“ konnten sie schon immer.

 

Dass sie auf einen Fernseher fast vier (4) bis fünf (5) Jahre warten mussten war doch „scheiß“ egal, die Sendungen aus dem Westen wurden ohnehin vom Osten gestört.

Den Trabbi bestellten sie am besten schon bei der Geburt, dann wurde er auch pünktlich geliefert.

 

Freiheiten hatten sie genug. Es gab an der Ostsee schon Nacktbadestrände, da waren auf den Titelblättern der Illustrierten im Westen noch gut gekleidete Modepuppen zu sehen.

Zeitschriften aus dem Westen durfte man ohnehin nicht mit in die DDR nehmen.

 

Dadurch waren die Ossis viel offener und freier als die Wessis und der Staat da drüben hatte seine Ruhe. Deshalb fuhren auch wir im Zeitalter des Rock and Roll oft nach Ostberlin, mieteten für wenige Ostmark ein Ruderboot an der Spree und die Mädchen, die ja an der Kleidung schon sehen konnten, dass wir aus dem Westen waren, kamen ganz von allein.

Auch wir tauschten unser weniges Taschengeld 1 : 4 um. Was taten die Ossis nicht alles für Perlonstrümpfe und Westzigaretten.

 

Da für uns durch den Umtausch des Geldes alles ja nur 1/4 kostete, kauften wir uns dort in den Geschäften z. B. einige Schulsachen. So gab es z.B. ein Buch "Enzyklopädie der Mathematik" für 40,-- Ostmark. Die dämlichen Propagandasprüche und das Wappen mit dem Hammer und der Sichel in den Büchern, störten uns nicht, notfalls wurden diese Seiten herausgerissen.

Auch Schlittschuhe und andere Sportsachen waren sehr günstig, auch wenn das Material nicht immer das Beste war.

 

So lebten auch die Ossis nicht schlecht, waren zufrieden, das Regime funktionierte, alle hatten Arbeit und keiner riss das „Maul“ auf.

Viel und schwer zu arbeiten brauchte man drüben ohnehin nicht.

Auf den Baustellen gab es nach zwei Tagen kein Material mehr. An den Geschäften standen die Leute Schlange, da immer nur zwei oder drei Personen hineingelassen und bedient wurden.

Zu kaufen bekam man ohnehin nur das, was man den Bürgern im Osten erlaubte.

Das Geld stimmte immer, ob dafür eine Leistung erbracht wurde oder nicht, war einfach egal.

 

Lediglich in den Kolchosen gab es die Erfüllung eines „Solls“. Dafür gab es aber dann auch billige Auszeichnungen mit dem Aufdruck „Für treue Pflichterfüllung“.

   

In den Gaststätten oder Kaffees konnte man sich nicht an irgendwelche Tische setzen, wenn diese Plätze für irgendwelche Genossen, auch wenn diese erst Stunden später gekommen wären, reserviert waren. Man hätte den Platz oder die Tischdecke ja beschmutzen können. Kellner waren Kellner und keine Putzfrauen.

Aber man hatte sich verkalkuliert. Immer mehr Bürger hatten Verbindung zu Verwandten und Bekannten im Westen, sahen da drüben auch Westfernsehen, bekamen mit, da war ja überhaupt kein Krieg, alles friedliebende Menschen. Der Staat wäre ohnehin bald zusammengebrochen, denn immer mehr Leute flüchteten in den Westen, es waren fast jeden Monat 3000.

 

Als dann etwa 10 Tage vor dem Bau der Mauer der Westberliner Sender RIAS verkündete, dass die DDR drastische Maßnahmen ergreifen wollte, flüchteten noch einmal 4000 Ostdeutsche in den Westen, da das genaue Datum der Maßnahmen verschwiegen wurde.

Nur den Russen und einigen Funktionären der DDR war dies bekannt.

Unsere Nachrichtendienste konnten oder wollten darüber keine Auskunft geben, obwohl auch sie die Regierung des Westens rechtzeitig darüber informiert hatten.

 

Die Flüchtlingslager platzten fast aus allen Nähten.

 

Dann fuhren russische Panzer auf der Ostseite auf, denen klägliche 3 oder 4 Fahrzeuge der Westmächte gegenüber standen.

 

Eine falsche Reaktion hätte tatsächlich zu einem Krieg führen können, doch auch die Russen warnten zur Besonnenheit.